Diese Überschrift für ein Interview mit einer Schreibtrainerin wirkt im ersten Moment widersprüchlich. Doch beim genauen Hinschauen ergibt es Sinn und beschreibt gut, was Dr. Amelie Mahlstedts Arbeit für mich ausmacht. Ich besuche regelmäßig ihren Schreibkurs „Mit Leichtigkeit ins Schreiben kommen“ in der Frauenkultur Leipzig. Mithilfe der Übungen in den Kleingruppen erlebe ich einen wunderbaren Effekt: Ich lerne wieder, einfach nur zu schreiben – ohne darüber nachzudenken, ob dabei eine Geschichte entsteht. Ich schreibe – bewusst und unbewusst – über mein Leben. Dabei verarbeite ich Erlebnisse, verbinde mich mit Gefühlen und schaue genauer hin. Für mich hat es fast eine therapeutische Wirkung, auf jeden Fall macht es viel Freude, und wer weiß, vielleicht entsteht daraus ja doch mal ein längerer Text! Wie Amelie selbst zum Schreiben gekommen ist, was es ihr bedeutet, was hinter ihrem Blog und Buch „Lolas verrückte Welt“ für eine Geschichte steckt, erzählt sie mir im Interview für die KiPPE.
Interview: Sabina Schwarzenberg & Foto: privat
KiPPE: Bitte stelle dich und das, was du machst, vor.
Amelie Mahlstedt: Ich bin Mutter von drei Kindern und war lange in der Sprachentwicklungsforschung am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften und an der Universität Leipzig tätig. Seit 2015 gebe ich, erst im Nebenberuf, und seit 2019 auch hauptberuflich, Kurse und Workshops im „Kreativen und Biografischen Schreiben“, an der Schnittstelle zwischen literarischem und therapeutischem Schreiben.
In meinen Kursen inspiriere ich Menschen zum autobiografischen Schreiben, also über ihr Leben, aber auch zum Schreiben fiktionaler Texte. Dabei steht vor allem der eigene Schreibprozess im Vordergrund, die Freude am Ausdruck, am Gestalten von Texten, aber auch der eigenen Lebensgeschichte. Das Endprodukt steht nicht im Vordergrund, so wie in klassischen Schreibwerkstätten, sondern die Suche nach einem stimmigen Bild und der Freude an der eigenen kreativen Tätigkeit. Wobei das gemeinsame Schreiben oft therapeutisch wirkt, wie auch alle anderen künstlerischen Ausdrucksformen, aber eben keine Therapie darstellt. Es geht mir vor allem um die persönliche Weiterentwicklung der Teilnehmenden und ihre Freude am eigenen kreativen Tun.
Wie bist du zum Schreiben und speziell zur Schreibtherapie gekommen?
Schon als Kind habe ich viel Tagebuch geschrieben. Später als Jugendliche und Studentin dann vor allem Reisetagebuch und Kurzgeschichten. Doch zum regelmäßigen Schreiben habe ich vor allem über meine zweite Tochter gefunden, Lola, die 2007 mit dem Down-Syndrom geboren wurde, worüber ich sehr viel geschrieben habe – erst im Tagebuch, dann in einem Blog bis am Ende sogar ein Buch daraus geworden ist: „Lolas verrückte Welt – Diagnose Down-Syndrom“, das 2014 im Gütersloher Verlagshaus erschienen ist. Ein Buch über meine ersten drei Jahre mit ihr und wie ich sie so lieben lernte, wie sie ist.
Das Schreiben des Buches hat mir sehr geholfen, mit ihrer „Besonderheit“ umzugehen und sie so annehmen zu lernen, wie sie ist. Das hat mir so viel Freude gemacht, dass ich mir gewünscht habe, auch andere Menschen dabei zu unterstützen, ihre Lebensgeschichten aufzuschreiben. Und so habe ich mich weitergebildet und gebe seit 2015 Kurse und Workshops, um auch andere Menschen dazu zu inspirieren, über sich selbst und ihr Leben zu schreiben und zu erleben, wie erfüllend die kreative Gestaltung des eigenen Lebens sein kann. [...]