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Eine gewitzte Prinzipalin

Seit 1998 verleiht die Stadt Leipzig alle zwei Jahre den Caroline-Neuber-Preis. 2020 wird er als „Internationales Caroline-Neuber-Stipendium der Stadt Leipzig“ erweitert. Aktuell für 2022/23 ging jetzt diese Auszeichnung an die australische Theaterregisseurin Samara Hersch (40). Das Stipendium ist gedacht für „impulsgebende Leistungen internationaler Künstlerinnen im Bereich Theater, Schauspiel, Tanz“. Vorgeschlagen werden die Künstlerinnen von sieben Leipziger Theatereinrichtungen, eine unabhängige Jury fällt die Entscheidung. Doch wer ist eigentlich die Namensträgerin dieses Preises? Worin lag ihre Leistung, was verbindet sie mit Leipzig? Stellen wir Caroline Friederike Neuber näher vor.

Text: Björn Wilda

Großes Gelächter und Gejohle auf den Fleischbänken 1741 zur Messezeit. Ein Theaterstück läuft. Auf der Bühne tappt eine riesige Nachtgestalt mit langen Ohren und mit Kerze in der Hand umher. Die Gestalt horcht und guckt in alle Ecken, immer bereit, für sie Unpassendes aufzuspüren. Das Publikum amüsiert sich köstlich. Der mit dieser Figur in einer Parodie auf die Schippe genommen wird, ist kein Geringerer als der hünenhafte Johann Christoph Gottsched, seines Zeichens als „Literaturpapst“ in aller Munde. Und jene Person, die den Universitätsprofessor, Dramatiker, Literaturtheoretiker und Sprachforscher auf diese Weise der Lächerlichkeit preisgibt, ist eine 43-jährige Frau: Friederike Caroline Neuber, ihres Zeichens Prinzipalin einer Theatertruppe und als „Neuberin“ in aller Munde. Doch die Szenerie hat eigentlich einen wenigen komischen Hintergrund… Dazu später mehr.

Kindheit und Jugend der Anfang März 1697 im vogtländischen Reichenbach geborenen Caroline Weißenborn sind hart und abenteuerlich und deuten wahrlich nicht auf eine spätere Berühmtheit hin. Ihr tyrannischer Vater, ein Advokat, züchtigt sowohl seine Gattin als auch das ungeliebte Kind. Davon bleibt eine Narbe im Gesicht. Aus Verzweiflung versucht Caroline mit 15 Jahren zu fliehen, wird wieder aufgegriffen, vom eigenen Vater des Ungehorsams und Diebstahls bezichtigt und kommt für 13 Monate hinter Gitter. 1717 unternimmt sie einen weiteren (geglückten) Fluchtversuch, diesmal mit ihrem gleichaltrigen Geliebten Johann Neuber, einem Schauspieler, den sie ein Jahr später heiratet. [...]