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Als würde man nicht existieren

Als würde man nicht existieren

Straßenkinder in Buenos Aires

© Kathrin Schadt
Hatten Sie als Kind frische Kleidung und ein Bett? Sind Sie in die Schule gegangen und wussten nach dem Läuten, wo Ihr Zuhause ist? Schön. Haben Sie mit zehn Klebstoff geschnüffelt oder sich um Ihre Schuhe prügeln müssen? Nein? Glück gehabt. Denn das ist der Alltag argentinischer Straßenkinder. Kathrin Schadt hat vier Jahre lang das Schicksal von Straßenkindern verfolgt, die Hilfe in einem Kinder- und Jugendzentrum in der argentinischen Hauptstadt suchen.



Alejandra (Januar 2004)
Auf der Florida, der größten Einkaufsstraße in Buenos Aires, hat ein alter Mann wie selbstverständlich sein Lager am Straßenrand aufgeschlagen. Auf einer zerfledderten Matratze schläft er am helllichten Tag in einem Hauseingang mit einer ramponierten Kinderpuppe im Arm. Ein paar Meter weiter setzt sich ein Mädchen auf den Boden. Sie trägt einen Zopf, die Haare darunter sind rasiert und wieder etwas nachgewachsen, ihre Hände sind schmutzig, die Fingernägel abgekaut. Sie setzt sich, um das zu tun, was sie jeden Tag tut: die Leute um ein paar Peso anbetteln. Sie ist 15, hat eine Schwester, die auch auf der Straße lebt und irgendwo noch eine Oma. Sie rutscht langsam mit dem Rücken an einer Hauswand nach unten, weil sie schwer zu tragen hat - ihr nackter Bauch wölbt sich unter ihrem engen Oberteil über ihre locker sitzende Jogginghose. Sie ist im siebten Monat schwanger. [...]