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Abstinentes Leben festigen

Seit über 125 Jahren hilft der christliche Verein Blaues Kreuz e.V. Suchtkranken in Leipzig. Vor wenigen Wochen eröffnete die Initiative mit einem Tag der offenen Tür ihre neuen Räumlichkeiten in der Georg-Schumann-Straße 198. Die KiPPE war dabei.

Protokoll & Foto: Sandy Feldbacher

Bunte Luftballons und ein Aufsteller weisen den teils weit gereisten Gästen den Weg zum Tag der offenen Tür des Blauen Kreuzes. Dieser führt durch einen großen Garten ins Gemeindehaus der Sophienkirchgemeinde. Der Vorstand ist froh darüber, dass der Umzug endlich geschafft ist. Lange habe es gedauert, weil einige Probleme zu bewältigen waren – wie das bei Umzügen nun mal häufig der Fall ist. Die Vorstandsmitglieder wirken engagiert, haben viele Ideen für die Zukunft des Blauen Kreuzes in Leipzig. Nach der Begrüßung von Vorstandsmitglied Katrin Benedix würdigt Pfarrer Michael Günz die Arbeit der Mitarbeitenden, die diese „mit Freude und Liebe im Herzen sowie einer klaren Sprache“ nachgingen.
Der Vorstandvorsitzende des Blauen Kreuzes, Dieter Kappler, wird derweil an vielen Ecken gebraucht. In einem kleinen Moment in der neuen Küche hat er Zeit zu verschnaufen: Er betont, dass die Anbindung an eine Kirchgemeinde schon immer ein großes Anliegen für ihn persönlich und den Verein gewesen sei. Darüber hinaus gehe es auch darum, in den Stadtteil hineinzuwirken und hier Vernetzungen zu schaffen. Die Angebote des Blauen Kreuzes richten sich an suchtgefährdete und suchtkranke Menschen sowie deren Angehörige. Hier kann man einen ersten Kontakt knüpfen, ins Gespräch kommen, Beratung in Anspruch nehmen und sich an weitere Stellen des Hilfesystems wie etwa Entgiftung oder Langzeittherapie vermitteln lassen. Daneben bietet der Verein Freizeitangebote, Wochenendausflüge und Besinnungsfahrten an, informiert vorbeugend und aufklärend zur Suchtproblematik in Schulen und interessierten Gruppen. Das Blaue Kreuz berät und betreut zudem suchtkranke Menschen in der Jugendstrafanstalt Regis-Breitingen. Herzstück des Vereins sind verschiedene Selbsthilfegruppen, in denen sich Betroffene austauschen und gegenseitig unterstützen. Vernetzungen haben sich über die Jahre auch mit Partnern etabliert, die Betroffenen bei der Rückkehr in Arbeitsleben und Alltag helfen, so etwa das Berufsförderungswerk Leipzig und dem TÜV, von denen auch Vertreter/innen zu Gast sind. Ein besonders wichtiger Partner des Blauen Kreuzes ist seit 1976 die, wie es Katrin Benedix scherzhaft formulierte, „Haus- und Hofklinik“ des Vereins – das Diakonie-Krankenhaus Elbingerode, das viele Betroffene zur Langzeittherapie aufsuchen. Dessen Chefarzt Dr. Eckart Grau ist ebenfalls zur feierlichen Eröffnung eingeladen und hält einen Vortrag zum Thema Nachsorge:

In der Kette der Suchtentwöhnungsbereiche – Entgiftung, Langzeittherapie/Rehabilitation und Nachsorge – nimmt für Eckart Grau letztere den wichtigsten Stellenwert ein, obgleich er aus dem zweitwichtigsten komme. Das habe verschiedene Gründe, wie er ausführt: Zunächst sei die Nachsorge der längste Behandlungsbereich, nicht selten wird sie über Jahrzehnte in Anspruch genommen, wohingegen die stationäre Sucht-Rehabilitation heute in der Regel nur noch 15 Wochen dauert. Stellen, die Nachsorge anbieten, lebten dagegen ein Stückweit mit den Betroffenen, was auch sehr anstrengend sein könne. In der Reha im Krankenhaus sei man abgeschnitten von seinem üblichen Umfeld und Alltag, in der Nachsorge-Zeit ginge es dagegen darum, abstinent unter Alltagsbedingungen zu leben. Erst nach anderthalb bis zweieinhalb Jahren werde ein abstinentes Leben halbwegs Normalität. Seinen Erfahrungen nach liegt die Erfolgsquote von Alkoholabhängigen zwischen 50 bis 60 Prozent, bei Drogensucht nur bei 35 Prozent. Deshalb habe der Mediziner großen Respekt vor Suchtberatungsstellen, die Vor- und Nachsorge anbieten. Besonders in der freien Nachsorge wie beim Blauen Kreuz liege eine große Chance: Wenn man gut aufgestellt sei, könnten betroffene Menschen gehalten, aufgefangen und begleitet werden. Dies brauche viel Kraft, sei aber sehr hilfreich bei der Festigung einer abstinenten Lebensweise. [...]