Seit etwa zwei Jahren nimmt die Obdachlosigkeit in Leipzig zu. Nicht nur deshalb ist Armut in Leipzig in der Öffentlichkeit sichtbarer geworden. Auf der anderen Seite verfolgen Stadt und Polizei ein offensiveres Sicherheitskonzept. Das Kommunalpolitische Forum Sachsen e.V. nahm dies zum Anlass seiner Podiumsdiskussion „Zur Verdrängung der Armut aus dem öffentlichen Raum in Leipzig“. Die KiPPE war dabei.
Text: Sandy Feldbacher & Foto: Pixabay
176 Gäste fanden sich laut Veranstalter am 14. März im GRASSI-Museum ein. Auf dem Podium saßen Heiko Rosenthal (Bürgermeister für Umwelt, Ordnung und Sport), Eike Bösing (Streetworker bei Safe), Britta Taddiken (Pfarrerin der Thomaskirche), Dr. Peter Bescherer (Soziologe) und Gjulner Sejdi (Vorsitzender des Vereins für Roma-Kulturvermittlung Romano Sumnal e.V.). Moderiert wurde die Diskussion von der Journalistin Sarah Ulrich.
Ausgangspunkt war die neue Situation am Hauptbahnhof aufgrund eines Beschlusses des Oberbürgermeisters. Durch diesen fielen die Flächen unter den Vordächern des Gebäudes auch in die Zuständigkeit der Deutschen Bahn. Die Stadt ist zwar immer noch Eigentümerin, doch der Bahn wird eingeräumt, hier ihre Hausrechte durchzusetzen. Eike Bösing berichtete, dass es dadurch weniger Toleranz für Menschen in prekären Situationen vor dem Bahnhof gebe und es bereits zu vereinzelten Räumungen durch einen privaten Sicherheitsdienst gekommen sei. Vorher waren Mitarbeitende des Ordnungsamtes für die Sicherheit zuständig, womit Betroffene und Streetworker bessere Erfahrungen gemacht hätten. Dies und die Beschallung des Eingangsbereichs mit klassischer Musik wertete Bösing als Verdrängungsmaßnahmen von armen Menschen und machte die Stadt dafür verantwortlich.
Heiko Rosenthal entgegnete, dass der Kommune bewusst sei, dass Menschen in prekären Situationen den öffentlichen Raum bräuchten, um mit ihrer Lage umzugehen. Doch habe es auf der anderen Seite eine hohe Beschwerdelage durch Passanten und Händler gegeben. Die Kommune versuche nicht nur am Bahnhof alle Perspektiven zu berücksichtigen und die verschiedenen Interessen auszugleichen.
Eine Sicht auf die Situation armer Menschen in Leipzig hat auch Pfarrerin Britta Taddiken. Im letzten Jahr habe es einen Anstieg bettelnder Menschen r und um die Thomaskirche gegeben. Einige blockierten mit ihren Habseligkeiten die Eingänge. Es habe auch Fälle von Gewalt und Sachbeschädigung gegeben. Man wolle niemanden wegschicken, doch übergriffiges Verhaltenkönne man nicht akzeptieren, so Taddiken. Außerdem dränge sich der Verdacht des gewerbsmäßigen Bettelns auf. Die hauseigene Sozialarbeiterin scheitere allerdings oft an der Sprachbarriere. An dieser Stelle bot Gjulner Sejdi der Pfarrerin seine Hilfe an. Gegen den Verdacht des gewerbsmäßigen, kriminellen Bettelns in Leipzig wehrte sich der Kulturvermittler. Ihm sei nichts dergleichen bekannt und kriminelle Machenschaften müsse die Polizei beurteilen und ermitteln. Gjulner Sejdi wies jedoch darauf hin, dass die Familienstrukturen bei Menschen aus Südosteuropa anders seien und diese auch versuchen, gemeinsam Geld zu verdienen. Das habe allerdings nichts mit organisierter Kriminalität zu tun. [...]