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Die Welt zu Hause in Leipzig

In unserer neuen Serie stellen wir in jeder Ausgabe einen Menschen aus Leipzig mit Wurzeln im Ausland und seine Geschichte vor. Diesmal: Barbora Bock, 36 Jahre, aus Tschechien.

Protokoll: Sandy Feldbacher & Foto: Enrico Meyer


Ich heiße Barbora und komme aus Ostrava. Die Stadt liegt im Nordosten von Tschechien an den Grenzen zur Slowakei und Polen. Man denkt immer, Tschechien ist so nah, doch der Teil, wo ich herkomme, ist 600 Kilometer weit entfernt. Ich lebe seit fast 13 Jahren in Leipzig, habe zwei Kinder, die 13 und 8 Jahre alt sind, und einen deutschen Ehemann. Ostrava ist die drittgrößte Stadt in Tschechien, sie hat ungefähr 300 000 Einwohner und ist eine Industriestadt. Früher wurde dort Kohle abgebaut und bis heute gibt es viele Fabriken, die aber teilweise anders genutzt werden. Für eine Anlage gibt es eine Bewerbung für die UNESCO-Weltkulturerbe- Liste. Auf dem Gelände gibt es viel Kultur – Konzerte, Ausstellungen und Festivals. Das bekannteste ist das „Colours of Ostrava“ mit 50 000 Gästen. Die Stadt ist relativ jung, sie hat keine Geschichte, sie wurde nur wegen der Kohle gebaut. Deshalb sind die Leute dort sehr sarkastisch, haben einen eigenen Humor. Viele Künstler kommen aus Ostrava, weil diese Atmosphäre sie wohl inspiriert hat. Außerdem leben sehr viele Roma dort. Auch dadurch ist die Stadt geprägt. Dort habe ich meine Kindheit und Jugend verbracht, meine Eltern haben dann vor über zehn Jahren ein Haus auf dem Land gekauft, weshalb ich heute nur noch selten in Ostrava bin.

Meine beste Freundin und ich haben uns etwa mit zwölf gesagt, dass wir anders sein wollen. Das war nicht so wie heute, wo es viele Subkulturen gibt und alles leicht zugänglich ist. Wenn man damals individuell sein wollte, musste man in den Secondhand Landen gehen oder selbst nähen. Wir wollten weg vom Mainstream und haben ein Hippie-Leben geführt und alles anders als unsere Eltern gemacht. Ich hab mir zum Beispiel mit 16 selbst ein Piercing gestochen. Mein Traum war lange, Sängerin zu werden, ich habe eine Musikschule besucht und mich auf ein Gesangsstudium in Prag vorbereitet. Zweimal war ich bei der Aufnahmeprüfung, bin aber nur unter die besten zehn gekommen und nicht angenommen worden. Das war schade, aber auf der anderen Seite wäre, wenn es geklappt hätte, mein Leben ganz anders verlaufen. [...]