Depression – Raus aus der dunklen Ecke
Depressionen gehören mit Krebs und Herzinfarkten zu den häufigsten Erkrankungen überhaupt, doch sind Unwissen und Vorurteile in der Gesellschaft gegenüber dieser psychischen Krankheit nach wie vor weit verbreitet. Dabei erkranken allein in Deutschland im Laufe eines Jahres etwa 5,3 Millionen Menschen daran. Schätzungen zufolge sind es derzeit etwa sechs Prozent der Bevölkerung – und Depression kann jeden treffen. Die KiPPE sprach mit Betroffenen, einer Ärztin, dem Leipziger Bündnis gegen Depression und dem Leiter einer Selbsthilfegruppe über Ursachen, Symptome und Hilfsmöglichkeiten.
Text: Sandy Feldbacher & Foto: pixabay
Das Zentrum für Psychische Gesundheit in der Leipziger Semmelweisstraße ist ein lebendiger Ort. An einem sonnigen Tag sind fast alle Fahrradständer davor belegt, es herrscht ein munteres Kommen und Gehen und die Bänke vor dem Eingang sind heiß begehrt. Im Erdgeschoss des Gebäudes treffe ich Privatdozentin Dr. Christine Rummel-Kluge in ihrem Büro. Sie ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Oberärztin in der Psychiatrischen Institutsambulanz der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Leipzig. Ihre Arbeit und die ihres Teams, das fachlich breit aufgestellt ist, umfasst die ambulante Behandlung von Menschen mit ausgeprägten psychischen Erkrankungen, die mehr Unterstützung benötigen als das in der Regel ein niedergelassener Psychiater oder Nervenarzt leisten kann. Die sowohl diagnoseübergreifenden als auch -spezifischen Angebote reichen von Ergotherapie, über Sport- und Kreativgruppen bis hin zu tagestrukturierenden Angeboten, wie etwa einer Morgengruppe. Daneben gibt es Gesprächsgruppen, in denen sich die Betroffenen untereinander und mit den Therapeut/innen austauschen können.
Christine Rummel-Kluge betreut neben Patientinnen und Patienten mit u. a. Zwangserkrankungen, Angststörungen und Schizophrenie auch Menschen mit Depressionen. Um von einer Depression zu sprechen und sie von einer Stimmungsschwankung, die viele Menschen kennen, abzugrenzen, müssen laut der Ärztin ganz bestimmte Kriterien über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen erfüllt sein: „Die drei Kernsymptome sind eine gedrückte Stimmung, Interessen- und Freudlosigkeit sowie ein reduzierter Antrieb. Außerdem können noch weitere Symptome dazukommen, die bei den Betroffenen in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden sind, zum Beispiel Schlafstörungen, Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust, Grübeln, Konzentrationsschwäche, Energielosigkeit oder vermindertes sexuelles Interesse“. Ebenfalls oft Symptom einer Depression ist ein vermehrtes Nachdenken über den Tod oder Suizid. Christine Rummel-Kluge betont, dass dies ein Teil der Erkrankung ist: „Das ist für unsere Patienten auch sehr entlastend, wenn wir ihnen sagen, das gehört zur Krankheit und geht wieder weg, wenn die Depression gut behandelt wird.“
Depressionen können Menschen jeden Alters treffen, auch Kinder und Jugendliche. Dr. Christine Rummel-Kluge erwähnt Untersuchungen, bei denen herauskam, dass durchschnittlich zwei Kinder pro Schulklasse betroffen sind. Bis zur Pubertät ist das Verhältnis der Geschlechter der Erkrankten ausgeglichen, danach sind Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer betroffen. Woran das genau liegt, weiß man noch nicht.
Gefühle der Sinnlosigkeit
Bernd Enghardt war fast zehn Jahre lang schwer depressiv erkrankt. Ich treffe den 58-Jährigen im Tageszentrum „Vielfalt“ auf dem idyllischen Geländes des Gutshofs Stötteritz. Der dahinterstehende Verein möchte psychosozial beeinträchtigten Menschen bei der gesellschaftlichen Wiedereingliederung helfen. Bernd Enghardt nimmt hier u. a. an einer Theatergruppe und einem Medienprojekt teil. Jahrelang hat er auch eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Depressionen, Ängsten und Schlafstörungen im Haus besucht, die er aber heute nur noch im weiteren Umfeld unterstützt, da es ihm mittlerweile wieder gut geht. Die Krankheit traf ihn, als er unter einer enormen beruflichen Belastung litt, die schließlich zum Burnout führte. Er wurde Frührentner und hatte dann Schwierigkeiten, seinen Alltag zu strukturieren, „weil ich nach dem Ende meiner beruflichen Tätigkeit zunächst nichts mit dem Berg von Freizeit anzufangen wusste, welchen ich plötzlich hatte“, erzählt er. Er litt damals an Traurigkeit, Gefühlen von Sinnlosigkeit, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen und Selbstmordgedanken. Auf körperlicher Seite kam eine allgemeine Schwäche hinzu: „Ich hatte damals Mühe, mit meiner 80-jährigen Schwiegermutter Schritt zu halten“, erinnert er sich, „ich war auch körperlich ganz weit unten“. Heute geht Bernd Enghardt joggen, besucht Tanzkurse und ist allgemein wieder fit. Zur Behandlung seiner Depression war er mehrmals für längere Zeit in der Psychiatrie, wo er Medikamente erhielt und verschiedene Therapien machte. „Eine Verbesserung kam nicht von heute auf morgen, sondern schleppte sich über Jahre“, erzählt der Rentner rückblickend. [...]