Zwischen Sucht und Alltag – Porträt eines bewegten Lebens
Markus sitzt in seiner Küche in Plagwitz. Er ist kräftig und wirkt wie jemand, den nichts so leicht umhauen kann. Er erzählt ruhig und reflektiert, ohne den roten Faden zu verlieren. Wenn er von sich spricht, vermeidet er häufig die direkte Rede. In der Hand hält er eine Zigarette, die er über eine halbe Stunde nicht anzündet. Markus absolviert gerade einen Bundesfreiwilligendienst in einem Seniorenheim und hofft danach auf eine feste Anstellung als Altenpflegehelfer. Er wohnt in einer Wohngemeinschaft, hat Freunde, mit denen er regelmäßig etwas unternimmt, und Kraftsport als Hobby, dem er viel Zeit widmet. Schwer vorstellbar, dass der 32-Jährige jahrelang drogenabhängig und spielsüchtig war, selbst gedealt hat und deshalb eine mehrjährige Haftstrafe absitzen musste. Heute ist Markus clean. Nach einer Therapie und einem Umzug von Bayern nach Leipzig ist er angekommen und hat uns seine bewegte Geschichte erzählt.
Nicht so beschaulich wie es wirkt
Markus kommt ursprünglich aus Erding, einem beschaulichen Ort in Oberbayern. Sein Vater ist Banker, seine Mutter war jahrelang Hausfrau. Er sagt, er komme aus einem gutbehüteten Elternhaus. Kaum zu glauben, dass er in diesem Umfeld das erste Mal mit Drogen in Kontakt kam. Doch der Vater eines Freundes dealte. „Zunächst haben wir ihm Kokain geklaut“, erzählt Markus. „Da er relativ groß gedealt hat, ist ihm das nicht aufgefallen“. Zu dem Zeitpunkt war Markus 14 Jahre alt. „Schließlich haben wir neben unserem eigenen stetig steigenden Konsum für den Vater meines Freundes Drogen verkauft, ganz klischeehaft auf dem Schulhof. Kokain passt zwar nicht in dieses Bild und ist natürlich nicht die typische Einstiegsdroge, aber damals war es von den härteren Drogen die feste Bank.“ Von nun an schien es kein Zurück zu geben – weder für Markus‘ eigenen Konsum – neben Kokain kamen Cannabis und andere Partydrogen und schließlich Heroin dazu – noch für seine Laufbahn als Drogendealer. Der Kontakt zu dem Freundesvater war nur der Einstieg in die Drogenszene, später kamen andere kriminelle Kreise und Strukturen in München dazu.
Parallel zu seiner Drogenlaufbahn begann Markus in Erding „ganz klassisch“, wie er sagt, mit 16 eine Ausbildung als Kaufmann im Einzelhandel. Mit reichlichen Zwischenfällen hat er diese abgeschlossen und anschließend anderthalb Jahre in dem Beruf gearbeitet. Später machte er eine Umschulung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit. Fünf Jahre arbeitete er dann im Bereich Objekt- und Werkschutz, da war er schon in München, bis sein wachsendes Vorstrafenregister das unmöglich machte. „Ich habe immer versucht, nebenbei zu arbeiten“, sagt Markus, „um die Drogengeschäfte geheim zu halten. Es wäre sonst schwierig gewesen, zu erklären, dass man auf der einen Seite arbeitslos ist, auf der anderen aber Geld hat“.
Erbarmungslose Automaten
Durch seine regulären Jobs und den Drogenhandel verdiente Markus schon als Jugendlicher nicht schlecht, konnte aber gleichzeitig nicht mit Geld umgehen und wurde spielsüchtig. Seine ersten Punkte für den Drogenverkauf in München waren Spielotheken, weil es hier nicht auffiel, wenn man sich länger aufhielt. „Irgendwann hat man Geld in Automaten reingesteckt und schon mal 40 000 bis 50 000 Euro im Jahr verbraten“, erzählt Markus, „das geht ohne Probleme. Die Automaten sind erbarmungslos“. Diese Sucht konnte er im Alter von 20 Jahren mit Hilfe einer ambulanten Therapie beenden. Die Heroin- und Kokainsucht ging weiter. Zwar wurde Markus während dieser ersten Therapie bewusst, dass er ein Drogenproblem hat, doch hielt er es weiterhin geheim. [...]