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Wind zieht von allen Seiten

Auf der Suche nach einer Unterkunft – eine wahre Geschichte

Der Wind zieht von allen Seiten, es beginnt zu schneien und die Kälte dringt durch meine gefütterten Schuhe, schon bald auch durch meine Socken.
Seit Stunden laufe ich ein und dieselbe Straße entlang, ich kann ihr Ende nicht erblicken, es scheint, sie würde den Horizont küssen, bevor sie dicht umschlungen ineinander verschmelzen.
Autos fahren vorbei, im dichten Schnee wirken sie fast besinnlich, lautlos, und nicht ein Hauch von Stress geht von ihnen aus. Nur ein Schauspiel kleiner verspielter Flocken, die sich im Scheinwerferlicht sonnen, bevor sie sich als weiße Decke in ihrer vollkommenen Schönheit über alles legen, was auf der Erde seinen Ursprung findet.

Der Schnee lichtet sich und die Sonne kommt aus ihrem verschlafenen Versteck hervor. Die herabstürzenden Sonnenstrahlen reflektieren vom Boden und preschen hinauf in den endlichen von Freiheit strebenden Himmel. Alle Himmelsrichtungen erstrahlen in einem unschuldigen Glanz. Mit einem Mal scheint alles unangetastet, fast jungfern. Jeder Schritt ist der erste und jeder Schritt bleibt bestehen. Vielleicht als Erinnerung oder als Vermächtnis.
Es geht voran, eine Kreuzung nähert sich mit großer Geschwindigkeit. Straßenschilder ohne Bedeutung an allen Ecken. Denn in diesen Tagen ist es nicht wichtig, wohin es führt. Der Weg ist das Ziel.

Der Schnee verweht die Straße, die Bäume, Sträucher, und kleine Nagetiere erblicken aufs Neue die Welt. Am Himmel ziehen bedrohlich dunkle und tief hängende Wolken auf. Der Glanz ist dahin, Regen liegt in der Luft, für einen kurzen Moment Stille, ein Windstoß gen Osten, ein rasendes Auto fliegt vorbei und schon geht’s los. Der Regen fällt vom Himmel wie ein Gesandter, er spült alles rein, was vom Schnee als Schlamm, Moder und Morast zurückgeblieben ist.
Es ist schwer geworden voranzukommen, durchnässt bis auf die Knochen und von Kälte geplagt. Ich gehe noch ein paar Meter, bis ich mir eingestehen muss, dass es vorerst keinen Sinn hat weiterzumachen! Überall fallen Tropfen auf den Boden, wobei sie zerschellen und aus ihnen Fontänen hervorkommen, die bunt durcheinander tanzen, in einem Chaos feiern, bis sie sich immer mehr zu einer Einheit formen, dem reißenden Fluss. [...]