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Rituale und Abstürze

Eberhard Eckhardt schrieb über sein Leben mit der Sucht

Zehn Jahre mit einer neuen Lebenspartnerin und drei Kindern nutzte Eberhard Eckhardt, um die Rolle in einer Familie und als Vater neu zu begreifen. Der Drang nach selbstständigem Leben, Freiheit und dem Abenteuer ließen ihn 2009 ein Stück Lebensweg allein gehen. Der Autor war zu diesem Zeitpunkt bereits 49 Jahre alt. Um den Sinn seines weiteren Lebens zu ergründen, zog er freiwillig und bewusst mittellos in abgelegenere Gefilde und lebte ohne festen Wohnsitz. Später verschlug es ihn für einige Zeit in eine Aussteigerkommune. Danach wurde er in einer alten Industriebrache sesshaft, wo er nun ein mit einfachen Mitteln geschaffenes Heim sein Eigen nannte. In dieser Zurückgezogenheit entstand dieses Buch. Eine Lebensmitte-Krise, auch bekannt als Mitleidskrise, verlängerte seine selbsternannte Auszeit vom Leben um ein weiteres Jahr. Nach fast drei Wintern beendete Eckhardt, alias Ecki, seinen Aussteigertrip und bezog einen „bürgerlichen goldenen Käfig“ in einer guten Innenstadtlage, überarbeitete seine Manuskripte zum Buch „Grenzland“ und träumt vom nächsten Abenteuer.

Eberhard Eckhardt über „Grenzland“, das vorerst in Manuskripten vorliegt und mit denen er in Lesungen, u. a. vor Jugendlichen, auftritt:
„Bei einem Trinker ist es immer 5 vor 12 und deshalb wichtig, die Weichen neu zu stellen und mit Herzblut eine lebensbejahende-, zukunftsgläubige eigene innere Einstellung zu suchen, zu finden und vor allem zu erarbeiten. Es wird uns im Leben nichts geschenkt. Jeder ist seines Glückes Schmied und trägt auch die Verantwortung dafür. Keine leichte Sache.
Ich war erst nach 38 Jahren bereit, diesen Auftrag anzunehmen. Durch den Glauben an das Gute und mit Sonne im Herzen wächst die Zufriedenheit. Es reift ein wertbeständiger neuer Lebenswille und Lebensinhalt heran. Ein wichtiger Garant für eine vielleicht dauerhafte Abstinenz. Nur aufhören mit dem Trinken reicht nicht. Du wirst nie wirklich ankommen und neue Wurzeln schlagen, sondern nur „Trocken Besoffen“ ankern.
Die Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, gespickt mit Stolpersteinen, Überraschungen und Fallen, aber immer auch spannend. Alte Wunden, die immer noch schmerzen. Neue Erfahrungen und Erkenntnisse. Oft zwei Schritte zurück, aber immer auch drei nach vorn. Die Gegensätze führen am Ende zur Konfrontation. Daraus reift die Erkenntnis, dein Bekenntnis und ein Bewusstsein und damit Veränderung.“

Auszüge aus dem Manuskript „Entgiftung“
(…) Die Entgiftung ist vorbei. Nicht mal mein Verdienst, es hat sich so ergeben. Der Körper rebelliert, Warnsignale habe ich über Jahre ignoriert. Alle um mich herum wussten es schon lange, nur ich wollte es nicht wahrhaben. Also fand ich mich nach einem körperlichen Zusammenbruch auf der Intensivstation wieder. Die Augen öffnend, sah ich diesen herrlich großen, etwas verschwommenen Mond, der sich später als eine riesengroße runde Krankenhauslampe entpuppte. Aber immer noch besser als ein Engel mit Harfe. Ihr wisst, was ich meine. Schmerzliche Erinnerungen. Meine ersten ohne Stoff. Der Körper gehorchte mir nicht mehr. Zittern, Krämpfe in Interwallen, Schweißausbrüche, Halluzinationen. Ein Vampir mit schwarzem Umhang, schwarzen spitzen Lackschuhen und einem ganz kleinen kahlen Kopf wollte mich holen. Stimmen von Weitem. Das Tuckern einer kleinen Kolbenpumpe, die mir ständig etwas in den Körper spritzte und mich jeder Kontrolle beraubte. Wahrscheinlich ein Beruhigungsmittel, ich weiß es nicht mehr. Keine Empfindung für Zeit und Raum in dieser unwirklichen Umgebung. Nahezu aller Gefühle beraubt, nur panische Angst vor allem, was sich mir näherte. [...]