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Lust und Frust

Halbwelt in Wohnungen - Gespräch mit Viola Butzlaff vom Gesundheitsamt Leipzig

Trotz der Legalisierung des Berufes der Prostitution vor 12 Jahren durch die damalige rot-grüne Bundesregierung bleiben Grauzonen und bleiben Fragen offen. Leipzig, das sich das Attribut einer „sauberen Stadt“ geben will, setzt alles daran, keine Schmuddelecken entstehen zu lassen. Unter anderem hat sich die Szene verlagert, wie wir im Gespräch mit der Sexualwissenschaftlerin und Sozialarbeiterin Viola Butzlaff erfuhren.

KiPPE: Welche Bedeutung hat heute noch der Straßenstrich wie der auf der Nordstraße im Vergleich zu früheren Jahren?
Butzlaff: Das ist zum großen Teil nicht mehr so bedeutend, da sind nur wenig Frauen unterwegs. Der Großteil der Sexarbeit findet heute in Wohnungen statt.

Geht also die Tendenz weg von der Straße hin in den privaten Bereich?
Na, so richtig privat ist der Bereich auch wieder nicht, die Wohnungen werden dafür gewerblich angemietet. Aber Prostitution ist unsichtbarer geworden.

Inwieweit kann Ihre Beratungsstelle noch Kontakt zu den Frauen finden?
Als Streetworkerin bin ich unterwegs mit dem Grundsatz: Ich will, dass es den Frauen, die Sexarbeit verrichten, so gut wie möglich geht. Ihre physische und psychische Gesundheit liegt mir am Herzen.

Wie aber kommen Sie nun an die betreffenden Leute heran?
Ich suche die betreffenden Wohnungen auf, klingele dort, frage die Frauen, ob sie einen Moment Zeit haben.

Und, hat man Ihnen gegenüber ein offenes Ohr?
Meistens findet ein kurzes Gespräch an der Tür statt, manchmal werde ich auch reingelassen. Es passiert auch, dass die Frauen keine Lust haben oder es passt ihnen gerade nicht. Aber das ist auch in Ordnung, ich komme ja unangekündigt Wir können niemanden zwingen.

Was sind das für Leute?
Ich mache keine Unterschiede bei den Frauen und spreche alle Altersstufen an. Besonders junge Frauen sind jene mit Migrationshintergrund. Außerdem kommen derzeit viele aus Rumänien und Bulgarien. Die deutschsprachigen Frauen bzw. jene die von hier kommen, sind oft älter, 40 und 50 Jahre und aufwärts. Ich suche nicht nur die Wohnungen auf, von denen es etwa 40 bis 50 in der Stadt gibt, sondern bin auch in den Klubs und Bordellen unterwegs.

Das Prostitutionsgesetz verfolgte das Anliegen, dass sich die Frauen versichern und ihre Rechte einfordern können. So ist Deutschland in dieser Hinsicht zu einem sehr liberalen Land geworden. Bringt das Gesetz den Frauen wirklich die erhofften Vorteile?
Das ist eine zweischneidige Sache. Es ist gut, dass Frauen, die Prostitution betreiben, nicht mehr kriminalisiert werden. Andererseits sind die Frauen trotzdem nicht genug sozial abgesichert. Sie sind meist selbständig und nicht angestellt. Es liegt in ihrer Verantwortung, sich zu versichern, und das kostet viel Geld. Also versichern sich viele nicht und sie geraten in eine sozial prekäre Lage. Gerade jene, die aus anderen EU-Staaten kommen, führen hier ein sehr unsicheres Leben. [...]