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Die Welt unter der Haut

In dieser KiPPE-Ausgabe beenden wir die Reihe „Das Tattoo des Monats“. Zum Abschluss soll das Thema auf eine höhere, historische und globale Ebene gehoben werden. Dafür traf sich die KIPPE mit Lydia Hauth zum Interview. Die Ethnologin am GRASSI Museum für Völkerkunde kuratierte gemeinsam mit Kevin Breß die Ausstellung „Tattoo & Piercing. Die Welt unter der Haut“. Diese ist Teil der „Grassi invites“- Reihe. Zunächst waren hierfür Leipzigerinnen und Leipziger eingeladen, mit ihren Tattoos, Piercings und persönlichen Geschichten ein Archiv der Gegenwart, ein so genanntes Living Archive, zu formen sowie ihre Ideen und Wünsche für den Ausstellungsteil einzubringen. Ausgehend von dieser lokalen Perspektive entstand eine globale Schau, in der Objekte, Fotografien und Zeichnungen aus den Sammlungen der sächsischen Völkerkundemuseen neue Perspektiven auf das intime, aber immer öfter sichtbare Thema aufzeigen. „Tattoo & Piercing. Die Welt unter der Haut“ läuft noch bis zum 7. Januar 2018.

Interview: Sandy Feldbacher & Foto: Mo Zaboli


Warum eine Ausstellung zu diesem Thema?
Lydia Hauth: Wir wollten für den vierten Teil der „Grassi invites“-Reihe ein zeitgenössisches Thema aufgreifen und Besucher einladen, bei einer Ausstellung mitzumachen. Thematisch hätte sich vieles angeboten, aber Tattoos und Piercings sind ein sehr aktuelles Phänomen, das man gerade in Leipzig oft auf den Straßen beobachten kann. Gleichzeitig lassen sich viele Verbindungen zu unseren Sammlungen finden. Ausgehend von den Tattoos, Piercings und Geschichten der GRASSI-Gäste, die sich in einem ersten Schritt für unser Living Archive zur Verfügung gestellt haben, entwickelten wir die Hauptthemen der Ausstellung und suchten anhand dessen die Objekte. Für uns war es ein schönes Experiment, andere Stimmen ins Museum zu holen und ein breiteres Publikum anzusprechen. Das gehört mit zur allgemeinen Öffnung des GRASSI-Museums.

Was sind die ersten Stationen der Ausstellung?
Am Anfang der Ausstellung gibt es einen Raum, der in das Thema einführt und darauf einstimmt, wo Objekte aus unserer Sammlung u.a. aus Papua Neuguinea, Kongo und Neuseeland im Fokus stehen. Die nächste Station besteht aus mehreren großen Projektionsflächen, auf denen Fotos verschiedenster tätowierter Menschen gezeigt werden. Beide Stationen sollen die Vielfalt von Tattoos und Piercings, auch in historischer und regionaler Hinsicht zeigen. Im nächsten Raum beginnt die eigentliche Ausstellung, die sich in die drei Teile ‚Auf die Haut‘, ‚Durch die Haut‘ und ‚Unter die Haut‘ gliedert. Am Anfang stand die Überlegung, wie beginnen wir den Erzählfaden? Man kann natürlich bis zu Ötzi zurückgehen, der tätowiert war. Aber uns war ein spezifisch Leipziger Zugang wichtig, einmal über das Living Archive und über unsere Sammlung. Deshalb findet sich hier etwa die Zeichnung einer Tätowierung in Lebensgröße des Leipzigers Julius Henninger. Er war eigentlich ein Landmesser, der eine Weile in der Kolonie Deutsch-Samoa stationiert war, und 1916 diese Zeichnung angefertigt hat. Wir wissen nicht, warum genau er Interesse an Tattoos hatte, aber wir können sagen, dass auf diese Weise die Motive nach Europa gekommen sind.

Wir wollten in dem Teilbereich „Auf die Haut“ u.a. zeigen, wie damals aus europäischer Perspektive auf das Thema geschaut wurde? Wie wurden Menschen mit Tätowierungen dargestellt? Und es zeigt sich, dass diese in den Kolonien sehr verklärend in einer übertriebenen paradiesischen Landschaft abgebildet wurden. Das Wort Tattoo kam übrigens Ende des 18. Jahrhunderts mit James Cook und Omai nach Europa. Damit konnte überhaupt erst einmal ein Diskurs angestoßen werden. Dennoch gab es auch schon vorher Tattoos in Europa: Wie etwa Pilger-Tattoos, die heute ein Revival in Jerusalem erfahren, oder Adelstattoos. Das waren nicht viele, aber doch einen beträchtliche Anzahl. Tattoos kamen folglich nicht nur über die Südsee nach Europa, sondern waren in bestimmten Formen auch vorher schon hier zu finden. [...]