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Homosexuelle Partnerschaften kennt die Bibel nicht

Am 29. August 2016 wurde der neue sächsische Landesbischof Carsten Rentzing in der Dresdner Kreuzkirche feierlich in sein Amt eingeführt. In der ersten Reihe stand damals Pfarrerin Ulrike Franke mit einer regenbogenfarbenen Stola auf ihrem Talar. Damit wollte sie auf die Rechte homosexueller Menschen innerhalb der evangelischen Landeskirche aufmerksam machen. Im Vorfeld seiner Amtseinführung hatte Rentzing in einem Interview deutlich seine Vorbehalte gegen Homosexualität geäußert und damit für viel Aufruhr inner- und außerhalb der Kirche gesorgt. Ulrike Franke hat sich vor 15 Jahren als erste Pfarrerin in einem Gemeindepfarramt in Sachsen als homosexuell geoutet. Die 47-Jährige lebt seit 25 Jahren in einer Beziehung mit einer Frau, 2011 haben die beiden geheiratet. Ihr Gemeindepfarramt hat Franke auch deshalb aufgegeben, weil es bis 2012 nicht gestattet war, als homosexuelles Ehepaar im Pfarrhaus zu leben. Seit 2012 ist es zwar erlaubt, allerdings nur, wenn die Gemeinde dies akzeptiert. Eine Hürde, die laut Franke zumindest in der aufgeheizten Situation der letzten Jahre kaum zu überwinden gewesen sei. In den meisten anderen Landeskirchen gibt es diese Ausnahmeregelung nicht, hetero- und homosexuelle Pfarrersleute werden hier gleichbehandelt. In vier Bundesländern sind sogar kirchliche Trauungen schwuler und lesbischer Paare möglich. Ulrike Franke arbeitet heute als Seelsorgerin im Leipziger St.-Georg-Krankenhaus und setzt sich als Mitglied von Synode, dem sächsischen Kirchenparlament, und Kirchenleitung für mehr Gleichstellung ein.

Interview: Sandy Feldbacher & Foto: Thomas Victor


KiPPE: Vor mehr als einem Jahr wurde Carsten Rentzing als Bischof in Sachsen eingeführt. Wie haben Sie das erste Jahr seiner Amtszeit erlebt?
Ulrike Franke: Es war zunächst einmal erschreckend für mich, dass jemand mit dieser Theologie mehrheitsfähig ist. Er vertritt ein antiquiertes Kirchen- und Pfarrerbild, das nicht meins ist, und lehnt mit seiner Theologie meine Lebensform ab. Seine theologischen Positionen, die er vor seiner Amtseinführung noch einmal klar gemacht hatte, haben mich nicht überrascht. Aber wenn jemand, der bald Bischof wird, sagt, dass Homosexualität für ihn Sünde ist, hat das eine andere Tragweite, als wenn das ein Pfarrer aus dem Vogtland sagt. Und das fand ich krass.
Als Bischof hat er sich nicht mehr so pointiert geäußert. Ich habe oft mit Herrn Rentzing zu tun und erlebe ihn als jemanden, der versucht, die Einheit der Landeskirche zu wahren, in der es unterschiedliche theologische Auffassungen gibt. Das achte ich. Die Kirchenleitung hat zum Beispiel unter seiner Direktion beschlossen, dass eine Segnung für verpartnerte lesbische und schwule Paare im Rahmen öffentlicher Gottesdienste möglich sein soll. Und das vertritt er nun auch, was zeigt, dass es unter dem neuen Bischof nicht nur in eine Richtung geht. Ein Bischof ändert nicht die ganze Landeskirche.

Homosexualität widerspricht laut Carsten Rentzing der Bibel. Wie sehen Sie das?
In der Frage bin ich natürlich aufgrund meiner eigenen Betroffenheit befangen. Ich habe lange damit gerungen, darauf eine Antwort zu finden. Die Bibel sagt auf jeden Fall nichts Positives zu Homosexualität. Aber das, worauf sich die Gegner berufen, sind wenige Stellen, die nicht zur Mitte der Schrift gehören. Da wird von Menschen berichtet, die von Gottes Weg abkommen und sich in Neid, Missgunst, Ehebruch und Sexualität mit Menschen gleichen Geschlechts verirren. Diese Menschen müsse man aufrufen zurückzukehren, weil das alles verwerflich sei. Ich denke, wir wissen heute, dass es einen kleinen Prozentsatz an Menschen gibt, die sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen. Das hat man damals aller Wahrscheinlichkeit nach noch nicht gewusst. Heute geht es außerdem nicht nur um Sexualität, sondern verbindliche und verantwortlich gelebte Partnerschaften. Das ist ein Thema, das die Bibel in Bezug auf Homosexualität nicht kennt. Insofern treffen die Verurteilungen nach meiner Einschätzung meine eigene Lebensform nicht.
Außerdem sind wir eine lutherische Kirche, das bedeutet, wir gehen an die Bibel heran, indem wir sie in unsere Zeit übertragen und berücksichtigen, in welchem Zusammenhang etwas gesagt worden ist. Das Thema „Sexualität zwischen Menschen gleichen Geschlechts“ ist in der Bibel eigentlich ein Randthema. Es gibt andere Themen, die eine viel größere Rolle spielen, zu denen auch Jesus selbst sich deutlich äußert – z.B. der Umgang mit Besitz und Reichtum. Bei diesen Themen ist man viel großzügiger in der Auslegung und interpretiert sie als zeitbezogen, während die Frage der Homosexualität zu einer Bekenntnisfrage aufgebauscht wird. [...]