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Knastware für den Klassenfeind

Strafgefangene in DDR-Gefängnissen schufteten im Akkord

Was für ein Paukenschlag, als im Jahr 2012 IKEA einräumen musste, dass politische Gefangene in der DDR gezwungen worden waren, für den schwedischen Möbelkonzern zu arbeiten. Zwangsarbeit für den Westen, und davon soll nur IKEA profitiert haben? Eher unwahrscheinlich! Knapp zwei Jahre später loderten erneut Gerüchte auf, die sich nun als Wahrheit erwiesen, weil durch Akten belegt.

Der Ost-West-Handel blühte, wenn auch im Verborgenen. Hauptsache gute Geschäfte! Blut für die Bayern, Strumpfhosen für Aldi, Lampen für VW oder Bettlaken für Quelle. Wirklich überraschen konnte das eigentlich nicht. Denn um an Westgeld zu kommen, war dem hoch verschuldeten DDR-Staat in den 80er-Jahren so ziemlich jedes Mittel recht. Zwangsarbeit war eine feste Größe in dessen Wirtschaftsplan.

Laut Unterlagen waren 20 000 Strafgefangene in DDR-Gefängnissen in die sozialistische Produktion eingebunden. Für harte Devisen mussten Häftlinge alles geben. Unter zum Teil unwürdigen Bedingungen mussten sie schuften bis zum Umfallen. Nicht selten war dies mit Demütigungen, Unterdrückung sowie anderen Schikanen durch das Personal verbunden.

Bis an die Schmerzgrenze
Die Erinnerungen lassen die Frauen von Hoheneck oder die Insassen von Waldheim nicht los, sie hallen nach. Am Tag, in der Nacht träumt man davon – viele werden diese Erfahrungen bis an ihr Lebensende nicht vergessen. Ein Großteil der Inhaftierten ist bis heute körperlich und psychisch geschädigt.

Eine Betroffene, deren Verbrechen darin bestand, dass sie Ausreiseanträge gestellt und in der Hannoverschen Straße 28 in Ost-Berlin (dem Sitz der Ständigen Vertretung der BRD) Schutz gesucht hatte, weiß zu berichten: „Ich verbüßte meine Haft in Hoheneck bis zu meiner Ausreise in den Westen. Ich nähte Strumpfhosen im Akkord, 1 400 Stück am Tag für den DDR-Betrieb ESDA-Thalheim. Wer die Norm nicht schaffte, wurde bestraft – der Druck war massiv.“

Für wen produziert wurde, wusste man damals nicht. 68 Pfennig kostete eine ESDA Strumpfhose im Westen, dafür rackerten die Häftlinge unter erniedrigenden Bedingungen in Hoheneck bis an die Schmerzgrenze. Was viele damals vermuteten, lässt sich jetzt durch Akten belegen.

Warum das lange Schweigen? Befürchten Rechtsnachfolger oder Manager etwa Schadenersatzansprüche, ähnlich wie das von NS-Zwangsarbeiten der Fall war?
Was weiß man schon über die Gefängnisse des eigenen Staates? Allenfalls als örtliche Kuriosa, wie in Leipzig die „Rattenburg“, sind die inzwischen unter dem Namen Justizvollzugsanstalten korrekt zu bezeichnenden Gewahrsame der Öffentlichkeit bekannt. [...]