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„Leipzig wächst nachhaltig“

Interview mit Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD)

KiPPE: Herr Jung, Sie haben nach Ihrer Wiederwahl inzwischen ein Jahr hinter sich gebracht. Welche wichtigsten Aufgaben stehen in der verbleibenden Amtszeit noch vor Ihnen?
Jung: Die größte Herausforderung ist, dass wir ab 2020 ohne Solidarmittel aus dem Aufbau Ost auf eigenen Füßen stehen müssen. Erster Punkt: Wenn die Wirtschaft wächst, können wir mehr Steuereinnahmen generieren. Was wir uns heute leisten, wollen wir uns auch weiterhin leisten können und soll zu einer immer besseren, nachhaltigen Lebensqualität führen. Aber ohne Wirtschaftswachstum, ohne Wirtschaftsentwicklung wird uns das nicht gelingen.
Zweitens: Unsere Stadt muss noch attraktiver werden, vor allem für junge Menschen und Familien, damit sie hier Perspektiven haben. Das heißt, noch mehr Einwohner sind gut für Leipzig. Das alles fasse ich zusammen unter: Leipzig wächst nachhaltig.

Wie aber vereinbart sich das mit Leipzigs Image als Billiglohn-Standort?
Ganz entscheidend ist, wie man in der Öffentlichkeit auftritt, und in der Tat haben wir viele Jahre geworben mit niedrigen Lohnkosten. Das war in den Aufbaujahren auch richtig und wichtig, doch das Blatt beginnt sich zu wenden. Die Arbeitslosigkeit geht spürbar zurück, weil die Wirtschaft wächst. Inzwischen ringen viele Branchen vor allem um junge Fachkräfte. Damit wächst die Chance, ganz offensiv mit einem attraktiven Standort zu werben, was wir auch tun. Daneben erhoffe ich mir von der Einführung des Mindestlohns auch deutlich mehr Stabilisierung innerhalb des Lohngefüges und damit natürlich weniger Ausgaben im Sozialbereich. Das kann für Leipzig nur gut sein.

Die Wirtschaft jedoch klagt, dass der Mindestlohn Arbeitsplätze gefährden würde…
Ach, wissen Sie, schon jetzt liegen über 80 Prozent des Einkommensgefüges über dem Mindestlohn. Sicher, in einigen Bereichen, wie beispielsweise im Friseurhandwerk oder im Bewachungsgewerbe, sind wir noch davon entfernt. In diesem Zusammenhang halte ich es für einen gesellschaftlichen Skandal, dass Menschen, die 40 Stunden und mehr in der Woche arbeiten, von dieser Arbeit nicht leben können, ohne weiter subventioniert zu werden. Doch in dem Moment, wo es wirtschaftlich vorangeht, wo die Binnennachfrage steigt, weil die Menschen wieder mehr im Portemonnaie haben, wird es auch spürbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Wenn wir mehr in der Tasche haben, so sollten wir auch bereit sein, für bestimmte Produkte und für bestimmte Dienstleistungen einen höheren, aber auch bezahlbaren Preis zu zahlen.

Kommen wir zu einem anderen Thema, das vor allem Kinder und Jugendliche betrifft. Unter den Leipziger Jugend- und Freizeittreffs und deren freien Trägern gab es großen Aufruhr wegen drohender Schließungen von Einrichtungen aufgrund Etatkürzung. Zwar wurde dies wieder zurückgenommen, doch die Unsicherheit bleibt. Wie soll es weitergehen?
Zugegeben, der Vorschlag aus der Verwaltung, rund 1 Millionen Euro zu streichen, war sehr hart. Das habe ich dann korrigiert und zurückgenommen. Aber das entlässt uns nicht aus der Pflicht, die Frage nach der Passfähigkeit der Angebote zu diskutieren. [...]